Offener Brief
an die Bundesgesundheitsministerin zur Vereinbarung der Bundesrepublik
Deutschland mit dem Verband der Cigarettenindustrie
Sehr geehrte Frau Ministerin Schmidt,
das Forum Rauchfrei in Berlin möchte sein Entsetzen über die zwischen der Bundesregierung und der Zigarettenindustrie geschlossene Vereinbarung kundtun. Wir sind eine Arbeitsgemeinschaft, die sich kritisch mit dem Rauchen auseinandersetzt und für die Anliegen der Nichtraucher eintritt.
Ihnen wird hinlänglich bekannt sein, dass Rauchen laut der WHO zur wichtigsten vermeidbaren Einzelursache von Krankheit und Tod gehört. Nach Schätzungen der Gesundheitsorganisationen sterben weltweit jährlich vier Millionen Menschen an den Folgen des Rauchens.
Die einzigen Maßnahmen, die nachweislich die Prävalenz des Rauchens senken, sind ein Verbot der Tabakwerbung, die Abschaffung von frei zugänglichen Zigarettenautomaten und eine Erhöhung der Tabaksteuer. Die Umsetzung eines EU-weiten Werbeverbots wird, wie bereits von der Vorgängerregierung, auch von der jetzigen Bundesregierung erfolgreich verhindert. Mit den Automatenherstellern wurde lediglich ein fauler Kompromiss geschlossen.
Die jetzt getroffene Vereinbarung jedoch ist der Gipfel. Die Bundesregierung nimmt von der Zigarettenindustrie einen Betrag von insgesamt 11,8 Millionen Euro in fünf Jahren entgegen (dies entspricht nur einem sehr geringen Bruchteil des Werbeetats der Zigarettenindustrie pro Jahr!) und verpflichtet sich im Gegenzug, dieses Geld ausschließlich für Rauchpräventionsprogramme bei Kindern und Jugendlichen auszugeben, die alleine den Zigarettenkonsum nicht senken.
Die Bundesregierung verspricht dafür, erwachsene Raucher mit diesen Programmen nicht anzusprechen. Sie sichert zu, die Zigarettenindustrie, deren Produkte oder den Zigarettenhandel nicht zu diskriminieren sowie den erwachsenen Raucher nicht zu verunglimpfen. Damit schließen Sie einen Burgfrieden mit der Industrie. Sie machen sich zur Partnerin der Zigarettenindustrie, obwohl Sie aus gesundheitspolitischen Erwägungen ihre Gegnerin sein sollten.
D.h. die Bundesregierung verzichtet für 11,8 Millionen Euro fünf Jahre lang auf wirkungsvolle Präventionsprogramme und nachhaltige Maßnahmen!!! Und wie glaubwürdig sind die Programme, die übrigbleiben, für Kinder und Jugendliche, wenn sie von der Zigarettenindustrie finanziert werden?
Im Gegensatz zu den übrigen Mitgliedern der europäischen Union, die mit gesetzlicher Regulierung das Rauchen zurückdrängen, setzen Sie auf Vereinbarungen bzw. Selbstverpflichtungen der Industrie. Nicht zuletzt wird der Industrie auch noch bescheinigt, dass sie aufgrund des seit 1966 bestehenden Selbstbeschränkungsabkommens auf Werbemaßnahmen, die sich an Kinder und Jugendliche richten, verzichtet. Wer hat beim Gedanken an Zigarettenwerbung kein Kamel vor Augen und an wen richtet sich wohl diese Werbung?! Außerdem darf die Zigarettenindustrie mit der Vereinbarung ihr Image aufpolieren. Ist das nicht lediglich Werbung für die Zigarettenindustrie, die als Gesundheitsprävention verkauft wird?
Alle Organisationen, die sich weigern, für ihre Präventionsprogramme das Geld der Zigarettenindustrie zu verwenden, haben unser vollstes Verständnis und unsere Zustimmung. Doch zu Recht fragen sie sich, wie in Zukunft wirksame und glaubwürdige Programme finanziert und durchgeführt werden können, wenn sich die Bundesregierung an die Zigarettenindustrie verkauft und diese sich im Gegenzug freikauft?
Wir bitten Sie noch einmal, die geschlossene Vereinbarung zu überdenken. Nicht nur der Zuwendungsgeber kann diese Vereinbarung kündigen. Auch der Zuwendungsempfänger ist zu einer Kündigung berechtigt und kann damit gleichzeitig ein Zeichen setzen. Damit wäre dann nicht das Image der Zigarettenindustrie verbessert, sondern das der Bundesregierung. Dies würde uns sehr freuen.
Mit freundlichen Grüßen
Johannes Spatz
Sprecher des Forums Rauchfrei in Berlin
Vertrag Bundesministerium für Gesundheit mit Zigarettenindustrie