Der Tod kommt aus Deutschland – Teil II

am 18. Januar 2016

Bei dem Mann, der sich bei seinem Auftritt im Bundestag am 14. Januar so vehement für die deutsche Tabakindustrie stark machte, handelt es sich um den Bundestagsabgeordneten Rainer Spiering (SPD). Seine Rede anlässlich der ersten Beratung des Entwurfs des Tabakerzeugnisgesetzes ist insgesamt ein erstaunliches Dokument, wir möchten daher auf einige Punkte näher eingehen.

Zunächst hier nochmals die betreffende Stelle in der Rede in ihrer Vollständigkeit: „Ich glaube – das ist für mich eigentlich der Antrieb, für die Verordnung in die Bütt zu gehen – , dass Deutschland ein Standort ist, der ordnungsgemäß produziert. Nur wenige wissen, dass 65 Prozent der Zigaretten, die in ganz Europa konsumiert werden, in Deutschland hergestellt werden – in deutschen Fabriken, nach deutschen Standards, von deutschen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – und von deutschen Labors untersucht werden. Ich möchte, dass sich das nicht ändert.“

Wir wollen nicht weiter darauf eingehen, dass der Redner das Rednerpult als „Bütt“ bezeichnet, der Aussprache also den Charakter einer Karnevalsveranstaltung beimisst, sondern uns die Zahl nochmals genauer anschauen. Wenn 65 Prozent der in ganz Europa konsumierten Zigaretten aus Deutschland stammen und jedes Jahr 700.000 Menschen in Europa an den Folgen des Rauchens sterben, dann sterben davon jährlich rund 450.000 an Produkten aus deutschen Fabriken, von deutschen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nach deutschen Standards hergestellt. Die Aussage von Herrn Spiering führte laut Protokoll übrigens zu Beifall bei Abgeordneten der SPD.

Gleich darauf erklärte Herr Spiering, die Produktion in Deutschland bedeute „Produktsicherheit“. Das Wort Produktsicherheit bedeutet, dass ein Konsument ein Produkt verwenden kann, ohne Angst vor gesundheitlichen Schäden haben zu müssen. Im Zusammenhang mit Zigaretten von Produktsicherheit zu sprechen, so weit geht nur die Tabakindustrie. Benutzt ein Politiker diesen Ausdruck in diesem Zusammenhang, heißt das, er versteht nichts von der Sache, oder er will nichts davon verstehen.

Eine weitere Aussage zeugt von wenig Kenntnis des Geschehens, jedenfalls für ein Mitglied des mit der Umsetzung der Tabakproduktrichtlinie befassten Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft. „Wir sollten anderen Ländern der Welt nicht ihre Gesundheitsvorstellungen vorschreiben. Das halte ich für gut und richtig.“ Auch hier Beifall, sowohl von SPD als auch von CDU. Genau diese Einmischung gab es aber von Seiten mehrerer deutscher Europaabgeordneter, die versucht haben, eine gesundheitspolitische Maßnahme in einem EU-Land zu verhindern, nämlich die Einführung von Einheitsverpackungen für Zigaretten in Irland. Für Herrn Spiering und diejenigen Mitglieder der CDU, die Beifall geklatscht haben, hier die Namen der Abgeordneten: Markus Ferber (CSU), Joachim Zeller (CDU), Axel Voss (CDU), Sabine Verheyen (CDU), Albert Deß (CSU), Christian Ehler (CDU), Dr. Markus Pieper (CDU), Dr. Godelieve Quisthoudt-Rowohl (CDU), Herbert Reul (CDU), Dr. Werner Langen (CDU), Birgit Collin-Langen (CDU), Daniel Caspary (CDU) und Monika Hohlmeier (CSU).

Zum Thema Außenwerbung vertritt Herr Spiering nach eigener Aussage eine sehr klare Meinung: „Ich glaube wir sind gut beraten, wenn wir uns in der Frage der Außenwerbung ein Beispiel am europäischen Ausland nehmen und die Außenwerbung nachdrücklich und möglichst kurzfristig unterbinden. [Beifall bei allen Fraktionen] Das wird in einem zweiten Teil des Gesetzentwurfs geregelt. Wenn wir das mit vereinten Kräften anstreben, dann werden wir das auch hinbekommen.“ Wer soll hier für dumm verkauft werden? Die Bundesrepublik hat sich bereits im Jahr 2005 mit dem Gesetz zu dem Tabakrahmenübereinkommen dazu verpflichtet, Tabakwerbung umfassend zu verbieten. Trotz der offensichtlich großen Einigkeit ist dies bis heute nicht gelungen. Und uns ist nicht bekannt, dass Herr Spiering sich in den letzten zehn Jahren jemals für ein Tabakwerbeverbot eingesetzt hätte.

Und schließlich betonte Herr Spiering gegen Ende seiner Rede noch folgendes: „Wir haben in großem Maße die Verantwortung für die Zigarettenherstellung in Europa …“. Wer, Herr Spiering, sind „Wir“? Die SPD, für die Sie im Bundestag sitzen, die Bundesregierung oder das ganze Land? Wer hat Ihnen diese Verantwortung übertragen?

Es ist nicht die Aufgabe der Regierung, dafür zu sorgen, dass die Tabakindustrie in Deutschland weiterhin ungestört produzieren und den europäischen Markt mit Zigaretten versorgen kann. Die Bundesrepublik und die Europäische Gemeinschaft haben sich zum Ziel gesetzt, den Tabakkonsum zu reduzieren. Hierfür tragen Sie als Bundestagsabgeordneter Verantwortung, nicht für das Wohlergehen einer Industrie, die ein todbringendes Produkt herstellt.

Rainer Spiering ist zuständiger Berichterstatter im Bereich Tabak in der AG Ernährung und Landwirtschaft der SPD. Als solcher vertrat er seine Partei bei der Aussprache im Bundestag.

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