Bei der heutigen öffentlichen Anhörung zum geplanten Tabakerzeugnisgesetz im Bundestagsausschuss für Ernährung und Landwirtschaft herrschte zwischen Vertretern von Tabakkontrollorganisationen und Vertretern der Tabakindustrie erwartungsgemäß wenig Einigkeit bei der Bewertung dieses Gesetzentwurfes. Ein Punkt, bei dem sich die Bundesregierung möglicherweise nicht an die europäischen Vorgaben halten wird, ist der Zeitpunkt, ab welchem Tabakprodukte nur noch mit großen, kombinierten Text- Bild- Warnhinweisen produziert werden dürfen.
Eigentlich gilt, dass ab Ende Mai 2016 nur noch nach den neuen Vorgaben der EU-Tabakproduktrichtlinie produziert werden darf. Die Industrie drängt auf eine Fristverlängerung um 15 bis 20 Monate. Früher sei eine Umstellung der Maschinen nicht zu schaffen, die Produktion würde stillstehen.
Eine solche Fristverlängerung würde ein Vertragsverletzungsverfahren von Seiten der EU nach sich ziehen, was den Verband der Rauchtabakindustrie (VdR), der seine Argumente bei der Sitzung vorbrachte, allerdings nicht stören würde, er empfahl dies sogar. Da die Verfahrensdauer in diesem Fall über 30 Monate betrüge, hätte sich die Frage einer Vertragsverletzung dann erledigt.
Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt hatte bereits bei der ersten Lesung des Gesetzes am 16. Dezember 2015 Verständnis für die Industrie gezeigt, den Schwarzen Peter für eine Fristverlängerung aber dem Bundestag zugeschoben: „Wenn … sich Änderungen bei den für § 6 festgelegten Fristen ergeben sollten, liegt das in der Hand des Deutschen Bundestages.“
Der Bundesrat hat sich jedenfalls hier bereits positioniert. Er empfahl der Bundesregierung, sich auf europäischer Ebene für eine Fristverlängerung einzusetzen, empfahl also nicht, die Vorgaben der EU-Tabakproduktrichtlinie ohne Zustimmung der EU zu unterlaufen.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Tabakkonzern Philip Morris nach Pressemeldungen nichts gegen die vorgesehenen Fristen einzuwenden hat, also offensichtlich keine Probleme bei der Umstellung seiner Maschinen sieht.
Ein weiteres Thema bei der Anhörung waren E-Zigaretten. Der Einzelsachverständige Prof. Dr. Bernhard-Michael Mayer, ein vehementer Befürworter der E-Zigarette, erklärte, das Produkt sei ein „Genussmittel“ und würde der medizinischen Rauchentwöhnung nicht dienen. Gleichzeitig forderte er, der Gesetzgeber sollte die Verbreitung von E-Zigaretten fördern. Wirklich logisch erscheint das nicht. Es stellt sich die Frage, warum man ein nikotinhaltiges „Genussmittel“, das die Nikotinsucht aufrecht erhält und die Gesundheit gefährdet, weniger streng regulieren sollte als herkömmliche Zigaretten.
Dass Werbung für Zigaretten auf Kinder und Jugendliche wirkt, stellte Dr. Tobias Effertz von der Universität Hamburg dar. Würde also Werbung für E-Zigaretten nicht genauso streng reguliert – und letztlich verboten – wie Werbung für herkömmliche Zigaretten, würde die Industrie sie mit den gleichen Methoden als Lifestyleprodukt vermarkten, das besonders Jugendliche anspricht. Hier zwei Beispiele, wie E-Zigaretten in anderen Ländern bereits vermarktet werden:
Auch bei der Frage, welche Maßnahmen am ehesten präventiv wirken, kamen die Experten zu unterschiedlichen Ergebnissen. Während Dr. Tobias Effertz und Dr. Martina Pötschke-Langer vom Deutschen Krebsforschungszentrum spürbare Tabaksteuererhöhungen und sofortige Werbeverbote forderten, kamen Prof. Dr. Mayer und der VdR zu dem Schluss, Verbote nützen nichts.
Für das Forum Rauchfrei war Johannes Spatz anwesend, der folgende Bilder aufnahm: