Zahlreiche Bekundungen der Solidarität gingen beim Forum Rauchfrei auf unsere gestrige Meldung ein, in der wir über die Ankündigung des Zigarettenkonzerns JTI berichteten, den Sprecher des Forum, Johannes Spatz, gerichtlich zu belangen, falls er keine Unterlassungserklärung abgeben würde. Einen besonders ausführlichen Beitrag möchten wir hier veröffentlichen:
Elvira Surrmann
Kamele für Kreuzberg
Die Kreuzberger dürften begeistert sein. War es ihnen doch schon immer ein Dorn im Auge, dass wunderschöne Werbeplakate, die das triste Kreuzberg in eine strahlende Weltstadt verwandeln, von Rowdies zerstört, gar zerfetzt wurden. Jetzt endlich hat jemand die Reißleine gezogen. Endlich!
Es traf eines der bekannten und geliebten Werbeplakate für Zigaretten. Was sage ich, Zigaretten, für die Zigarette, die das Abenteuer in unser eintöniges Kreuzberger Leben trug. Damals, wer kannte nicht die Kamele? Den Mann, der mit durchlöcherten Schuhsohlen durch die Wüste lief? Ich glaube, bis Kreuzberg ist er nie gekommen. Aber seine Zigarette. Die konnten wir uns alle kaufen. John Wayne war der Testimonial. Er ist an Lungenkrebs gestorben. Gestorben für sein Kamel! Ein Held!
Und jetzt kommt jemand daher und fetzt das Kamel von einer gemieteten Werbefläche! Es gibt ein Foto! Der Fetzer hat es selbst ins Internet gestellt, sich der Tat selbst bezichtigt! Angesichts tausender Kamelliebhaber! Das konnte nicht gut gehen. Die Angst ging um. Was würden die Autonomen dazu sagen? Würden bald wieder Autos brennen? Und was würden die arabischen Clans sagen? Würde es sich in der Wüste herumsprechen, dass durchgeknallte Kreuzberger die stolzen Wüstentiere zu zertrampelten Papierfetzen degradiert hatten? Würden sie die Pipelines kappen und uns zu Benzinbettlern machen?
Kreuzberg war in Gefahr. Die Rettung nahte. Ein Brief traf ein. Ein Brief an den Fetzer. Ein General Manager und ein Legal Affairs Director schrieben ihm. Dass er das Kamel von der gemieteten Werbefläche gefetzt habe. Die gemietete Werbefläche sieht auf dem Foto aus wie eine gewöhnliche Litfaßsäule. Möglicherweise sind der General Manager und der Legal Affairs Director der deutschen Sprache nicht so mächtig, dass sie einen Brief in schlichtem Kreuzberger Deutsch schreiben können. Immerhin handelt es sich um eine japanische Firma: Japan Tobacco International. Warum schicken Japaner Kamele nach Kreuzberg? Na, ja, sagen wir mal, den Japanern ist die kecke Kreuzberger Mentalität vielleicht fremd. Möglicherweise können sie auch die tierischen Vorlieben nicht verstehen. Wenn man Füchse auf dem Damm erträgt und Scharen von Krähen und sich dusslig freut über ein paar zugezogene Nachtigallen, dann sollte man doch auch Kamele lieben können. Japaner lieben Kamele, so wie es aussieht. Denn sie drohen dem Fetzer.
Das Kamel ist Eigentum ihres Hauses, sagen sie, und er habe ihr Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb verletzt! Jawohl, der Fetzer hat Recht verletzt! Endlich kommt da jemand, der den Rowdies, die die schönen Werbeplakate zerstören, zeigt, wo der Hammer hängt. Ab in den Knast mit denen. Kamele nach Kreuzberg!