Tabakwerbung vor Schule in Laatzen: Interview mit Linus Melletat

am 18. August 2016

Am 5. August berichtete die Hannoversche Allgemeine über einen jungen Mann, der in der Stadt Laatzen bei Hannover gegen Tabakwerbung direkt vor einer Schule vorging. Mit dem Forum Rauchfrei sprach er nun über seine Motivation und die Schwierigkeiten, denen er begegnete, bis das Tabakwerbeplakat abgehängt war.

Herr Melletat, was haben Sie empfunden, als Sie das Tabakwerbeplakat vor der Schule zum ersten Mal sahen?

Ich habe mir gedacht, dass es nicht wahr sein kann. Mich stört Tabakwerbung schon seit langem und in dem Moment habe ich das Gefühl gehabt, einen Tag vor Schulbeginn, etwas gegen diese Werbung tun zu müssen.

Was hat sie motiviert, aktiv zu werden? Viele befinden sich bestimmt in der gleichen Situation wie Sie, aber bleiben dennoch inaktiv.

Motivierend waren erstens: das Wissen über die Folgen von Tabakwerbung und über deren Regulierung und zweitens: dass ich nicht will, dass Kinder direkt vor der Schule (oder besser gesagt überall) mit so einer Werbung in Kontakt kommen.
Allen, die in einer ähnlichen Situation sind, kann ich den Tipp geben, dass es sich immer lohnt, sich für Veränderung einzusetzen. Ohne Menschen, die den gesunden Menschenverstand walten lassen, regieren und entscheiden jene, die nur ihre eigenen Interessen im Sinne haben.

Hatten Sie zuvor schon einmal etwas gegen Tabakwerbung unternommen? Wussten Sie, wie Sie vorgehen würden?

Nein, leider nicht. Ich wusste nicht genau, wo ich anfangen sollte, gegen die Werbung anzugehen.

Was war Ihr erster Schritt?

Ich habe die Schule kontaktiert, doch diese „hatten keine Ahnung“…

Welche Behörden hatten Sie eingeschaltet und wie empfanden sie deren Bereitschaft, etwas zu unternehmen? Gab es da einprägsame Momente, die Sie erfreut oder verärgert haben?

Nachdem die Schule mich an die Stadtverwaltung der Stadt Laatzen verwiesen hatte, bin ich dort abgewiesen worden, da sie keine Zuständigkeit für die Werbeschaltung habe. Sie verwies mich an den Deutschen Werberat in Berlin. Der Werberat verwies mich dann an den Deutschen Zigarettenverband. Schon hier wurde mir klar, dass es nicht deren Ernst sein könnte, mich zu denen zu schicken, welche kein Interesse haben, Tabakwerbung abzuhängen, doch ich habe an die Gesetzeskraft geglaubt und angerufen. Der Zigarettenverband erklärte mir dann extrem unfreundlich, dass die einzelnen Firmen für die Werbung verantwortlich seien und diese nur eine (unzureichende) Selbstverpflichtung eingegangen seien. Mein Gesprächspartner meinte dann, der GVH  wäre verantwortlich. Daraufhin habe ich beim GVH angerufen. Der Mitarbeiter am Telefon sagte, dass Subunternehmen für die Werbung verantwortlich seien und ich dafür den Kundenservice der Üstra (bzw. der GVH) anschreiben solle. Dies tat ich auch und bekam die Antwort, dass ich mich doch an die Stadt Laatzen wenden solle, da jene für die Werbung verantwortlich wäre. Ich habe also alle Ansprechpartner gefragt und keiner fühlte sich für den Jugendschutz und die Einhaltung von Regeln verantwortlich.
Die Tabaklobby hat die Gesetze komplett untergraben und dies ist eine Frechheit. Die Politik und auch die einzelnen Institutionen müssen den Jugendschutz respektieren und für die Interessen der Bürgerinnen und Bürger einstehen und nicht die Interessen der reichen Tabakverbände vertreten.
Der einzig wirklich positive Moment war das Gespräch mit einem GVH- Mitarbeiter, der durch das mit ihm geführte Telefonat auf das Thema „Rauchen und die Folgen“ aufmerksam geworden ist und sich deswegen, in Zukunft, für den Nichtraucherschutz einsetzen wolle.

Wie lange hat es gedauert, bis das Plakat abgehängt wurde, und zu welchem Zeitpunkt haben Sie sich an die Presse gewandt?

Nicht einmal 24 Stunden, nachdem ich die Presse eingeschaltet hatte, war die Werbung weg. Die Presse habe ich angerufen, bevor ich den Deutschen Zigarettenverband angerufen hatte. Zu dem Zeitpunkt war ich nämlich schon geradezu verzweifelt und wütend. Es schien mir der einzig noch gangbare Lösungsweg zu sein.

Hatten Sie den Eindruck, dass die Behörden in Sachen Tabakwerbung kompetent waren?

Nein, keineswegs. Wie schon erläutert, wurde ich von einer Behörde zur nächsten geschickt. Ich wurde einmal quer durch Deutschland verwiesen, wobei ich, ohne mehr erfahren oder erreicht zu haben, letztendlich wieder bei der allerersten Institution gelandet bin. Die Tabaklobby – so folgerte ich daraus – hat also das Recht komplett untergraben.

Was war Ihrer Meinung nach ausschlaggebend dafür, dass das Plakat entfernt wurde?

Die Presse war ausschlaggebend. Ohne die mediale Präsenz würde die Werbung immer noch an derselben Stelle hängen. Das war offensichtlich.

Haben Sie für Ihr Engagement eher positive oder eher negative Reaktionen erhalten?

Durchweg positive Reaktionen. Nicht nur im Bekanntenkreis, sondern auch von öffentlicher Seite wurden viele beglückwünschende und gutheißende Worte an mich heran getragen.

Haben sie den Eindruck, dass Tabakwerbung sich vor allem an Jugendliche und Heranwachsende richtet?

Ja. Es werden immer Dinge wie Freiheit, Sehnsucht, Exklusivität und das Erwachsensein suggeriert. Also alles Dinge, die sich viele Jugendliche wünschen.

Würden Sie ein generelles Verbot für Tabakwerbung für sinnvoll halten?

Nicht nur für sinnvoll, sondern für unabdingbar. Fast alle Länder in Europa haben ein Tabakwerbeverbot. Die Tabakwerbung verwischt die Gefahren des Rauchens und sorgt dafür, dass ein Produkt beworben wird, welches in Deutschland bis zu 80 Milliarden Euro jährlich an Mehrkosten im Gesundheits- und Gemeinwesen produziert. Ein Werbeverbot ist im Sinne der Gesellschaft.

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