Die Hoffnung war groß. Doch bis heute ist daraus kaum etwas geworden. Eine Vision haben unsere Kinder. Die neue Hoffnung liegt bei Friday for Future.
Ein tabakrauchfreies Europa von Dr. Wolfgang Schwarz
Vor mir auf meinem Schreibtisch steht ein Keramikbecher mit mehreren Aufschriften. „Europa nikotinfrei“ oder „smoke free Europe“ und „Europa libre de Tabaco“ ist dort zu lesen. Woher ich den habe? Ich wurde eingeladen zu einer wichtigen internationalen Konferenz. Vom 7. bis 11. November 1988 fand in Madrid die erste Europäische Konferenz über Tabakpolitik statt. Organisiert wurde sie vom WHO Regionalbüro für Europa. Teilgenommen haben Vertreter von 27 Mitgliedsstaaten der Region und von 4 Ländern außerhalb Europas.
Von den deutschsprachigen Ländern waren Österreich, die Bundesrepublik Deutschland, die Deutsche Demokratische Republik und die Schweiz mit ausgewählten Delegierten vertreten. Spanien wurde als Tagungsort erwählt, weil in der Mitte des vergangenen Jahrtausends im Auftrag der spanischen Königin segelnde Seeleute eine Substanz ins Land gebracht haben, deren Gebrauch sich als größte Seuche erwiesen hat, die der Kontinent je erfahren hat: Tabak.
Folgerichtig stellte die amtierende Königin Sophia von Spanien in ihrem Eröffnungsvortrag fest, nun sollten von Spanien aus Impulse gesetzt werden, um diese Seuche endgültig zu beseitigen. Das Forum folgte ihr in jeder Hinsicht. Der Abschlussbericht der Konferenz trägt den optimistischen Titel: IT CAN BE DONE A smoke-free Europe (Es ist machbar – Ein tabakrauchfreies Europa).
Was ist nun – mehr als 30 Jahre nach diesen vielversprechenden Impulsen – wirklich geschehen? Obwohl der beschlossene Aktionsplan für ein tabakrauchfreies Europa auf 5 Jahre ausgelegt war, liegt das Ziel immer noch in weiter Ferne. Man hat den Eindruck, es entfernt sich immer weiter. Ein Jahr nach der Madrider Konferenz fiel die Berliner Mauer. Grund genug, die Kräfte der Tabakdrogengegner in Ost und West zu bündeln, um ein wirksames Aktionsprogramm für Deutschland zum Laufen zu bringen. Vorgaben dazu gab es in beiden deutschen Staaten.
In Berlin gründete sich ein Arbeitskreis „Förderung des Nichtrauchens“ mit Teilnehmern aus West und Ost. Mit Rauchverboten in der Gastronomie spielte der Osten eine Vorreiterrolle, fanden die Teilnehmer aus dem Westen. Übernehmen? Nichts für freie Bürger in einer freien Welt, meinte die Politik. Erfahrungen aus dem Osten waren nicht erwünscht. Erst die Tabakdrogenindustrie schaffte es, dem Nichtraucherschutz auf die Sprünge zu helfen. Das Bundes-Nichtraucherschutzgesetz floss 1:1 aus den Federn der Tabakdrogenlobby. Rauchfreie Gastronomie aber sei Ländersache, beschied die Politik. So entstand ein Flickenteppich aus den unterschiedlichsten Regelungen mit vielen Löchern zugunsten von Rauchern. Doch Nichtraucherschutz muss sein, um das Rauchen als sozialverträglich daherkommen zu lassen, meint auch die Tabaklobby.
Österreich und Deutschland, die beiden Schlusslichter in der Anti-Tabak-Politik, streiten noch immer um die Ehre der Roten Laterne. Österreich hat unlängst die Aufhebung eines absoluten Rauchverbots in der Gastronomie beschlossen. Und Deutschland, das einzige Land in Europa, in dem noch Tabakaußenwerbung erlaubt ist, kippt ein bereits beschlussreifes Gesetz zum Verbot jeglicher Tabakwerbung. Ein totales Rauchverbot in der Gastronomie wird ebenfalls abgelehnt. Schritte rückwärts hier wie dort.
Wie können wir nun wieder auf Vorwärtsgang schalten? Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wandelte sich die Soziale Marktwirtschaft zum Raubtierkapitalismus, für den Maximalprofit wichtiger ist als das gesundheitliche und soziale Befinden der Bürger. Die Einflüsterungen der Lobbyisten finden bei Politikern eher Gehör als die faktenbasierten Warnungen von Gesundheitsexperten. Was also können wir tun, um dem Ruf von damals ein wirksames Echo folgen zu lassen?
Der damaligen Forderung nach einer international abgestimmten konzertierten Aktion entsprach die WHO mit einem Rahmenübereinkommen zur Bekämpfung des Tabakgebrauchs. Am 27. Februar 2005 trat es in Kraft. Bis heute sind zumindest in Deutschland noch nicht alle Forderungen umgesetzt. Ich kann auch noch keine europaweite Strategie für eine tabakdrogenfreie Gesellschaft erkennen, zum Beispiel ein Abkommen zwischen Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen im Interesse eines für Europa gemeinsamen legislativen Handelns mit dem Ziel einer tabakrauchfreien Gesellschaft.
Dessen Schwerpunkt sollte sich auf den Schutz von Kindern und auf das Heranwachsen einer tabakrauchfreien Generation richten. Ein solches Generationenprogramm wurde bereits auf der Madrider Konferenz proklamiert. Es umfasst Erziehungsprogramme, umgesetzt durch Eltern und Lehrer, höhere Tabaksteuern, Werbeverbote und eine rauchfreie Umwelt für Kinder und Jugendliche. Den Einstieg in den Tabakdrogengebrauch zu verhindern ist wirksamer als die Raucherentwöhnung mit ihrer nachweislich geringen Erfolgsquote. Vorbeugen ist besser als Heilen!
Ein besserer Schutz der Kinder steht jetzt auch auf der Tagesordnung des Deutschen Bundestages. Am 6. Juni 2019 machten Grüne und Linke Druck für Kinderrechte im Grundgesetz. Nach Artikel 6 ist die Pflege und Erziehung der Kinder Recht und Pflicht der Eltern. Kinder sind somit Objekte des Tun und Lassens ihrer Eltern. Durch eigene gesetzliche Rechte sollen sie nun zu vollwertigen Subjekten der Gesellschaft werden. Heftiger Einspruch kam von ganz Rechtsaußen: „Für die Luft in den Kinderzimmern haben nur die Eltern ein Hoheitsrecht!“. Mit anderen Worten: „Wenn ihr eure Kinder nach Herzenslust vollqualmt, dann ist das auch in Ordnung!“.
Unsere Kinder haben bereits erkannt, was für ihre Zukunft entscheidend wichtig ist. Sie kämpfen für eine saubere, gesunde Umwelt. Dazu gehört vor allem auch ein tabakrauchfreies Elternhaus, ein tabakrauchfreies Europa und schließlich eine tabakrauchfreie Welt. Machen wir uns dafür stark – im Interesse unserer Kinder und Enkel!
Dr. Wolfgang Schwarz 10.06.2019