Berlin nimmt Corona-Hilfe von Philip Morris an

am 9. Juni 2020

Presseerklärung

Senat lagert Corona-Schutzmasken in Berliner Zigarettenfabrik

Offener Brief an Berlins Regierenden Bürgermeister Michael Müller

Der Tabakkonzern Philip Morris kann sich damit brüsten, dass er in seiner Neuköllner Zigarettenfabrik für die Lagerung und die Verteilung von Schutzausrüstungen wie Masken, Handschuhe und Kittel, die zum Schutz vor dem Corona-Virus dringend benötigt werden, eine 1.200 Quadratmeter große Halle sowie technisches Equipment und Büroflächen der Stadt Berlin zur Verfügung stellt. Über dieser Halle steht immer noch der legendäre Marlboro-Cowboy, dem nun von der Senatsverwaltung eine Aufmerksamkeit zukommt, die absolut fehl am Platze ist. Wenn Tabakkonzerne als Wohltäter auftreten, sind sie es, die davon profitieren wollen. Ihr soziales Engagement dient einem absolut eigennützigen Zweck, es handelt sich schlicht um eine Marketing-Maßnahme, um ihr Image aufzubessern.

Zusammen mit zehn Professoren wendet sich das Forum Rauchfrei in einem Offenen Brief an Berlins Regierenden Bürgermeister Michael Müller, um gegen die Zusammenarbeit der Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit mit dem Zigarettenproduzenten Philip Morris zu protestieren.

„Man kann es nur als Schande bezeichnen, dass die Senatsverwaltung für Gesundheit die Hilfe eines Tabakkonzerns annimmt“, sagt Johannes Spatz, Sprecher des bundesweit tätigen Forum Rauchfrei. Mit den Unterzeichnern des Offenen Briefes protestiert er entschieden gegen jede Zusammenarbeit zwischen Senatsverwaltung und dem Tabakgiganten. Es gebe einen fundamentalen und unüberbrückbaren Konflikt zwischen den Interessen der Tabakindustrie und den Interessen der Gesundheitspolitik. „Die Zusammenarbeit mit der Tabakindustrie lässt Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit, uneingeschränkt auf der Seite der Gesundheit zu stehen“, so Spatz.

Der Brief legt außerdem dar, dass diese Zusammenarbeit nicht nur höchst unmoralisch, sondern auch rechtlich unzulässig ist. Weil es sich bei den angeblichen sozialen Wohltaten der Tabakkonzerne um Marketing-Maßnahmen handelt, wird in dem Tabakrahmenübereinkommen der WHO, das bereits seit 2005 in der Bundesrepublik in Kraft ist, eine strikte Trennung zwischen Tabakindustrie und jeder Form der Regierung bzw. Verwaltung vorgegeben. In den Leitlinien zur Umsetzung von Artikel 5.3 dieses Tabakrahmenübereinkommens heißt es: „Die Vertragsparteien sollten nicht gestatten, dass ein Bereich der Regierung oder des öffentlichen Sektors politische, soziale, finanzielle, bildungs- oder gemeinschaftsbezogene Unterstützung seitens der Tabakindustrie oder Stellen, die an der Förderung ihrer Interessen arbeiten, annehmen“ (…).

Wenn die Stadt Berlin eine Zigarettenfabrik als Logistikzentrum nutzt, arbeitet sie unmittelbar mit Philip Morris zusammen und nimmt die absolut unzulässige Unterstützung der Tabakindustrie an. Diese Zusammenarbeit mit der Stadt Berlin ist Teil der bundesweiten Imagekampagne von Philip Morris. Der Konzern will von der Tatsache ablenken, dass er Produkte herstellt, deren Konsum
weltweit täglich schwerste Gesundheitsschäden verursacht. Insgesamt gibt Philip Morris nach eigenen Angaben in der Corona-Krise mehr als 1,6 Millionen Euro für Hilfsprojekte in Deutschland aus und bereitet damit den Boden für die schmutzige Lüge, der Konzern sei ein Wohltäter. Auf diesem Boden gedeihen dann auch Lügen wie die, dass Rauchen vor Corona schütze.

Die Unterzeichner fordern den Regierenden Bürgermeister auf, die Zusammenarbeit zwischen der Senatsverwaltung und dem Tabakkonzern sofort zu beenden und dafür Sorge zu tragen, dass eine solche Zusammenarbeit in Zukunft nicht mehr möglich ist. Gerade die Senatsverwaltung für Gesundheit dürfe sich nicht zu einem Teil der Imagekampagne eines Konzerns machen lassen, der den Tod verkauft.

Fotos: Forum Rauchfrei
Fotos: Forum Rauchfrei

Über Allem schwebt der Marlboro Cowboy: Kein offener Hinweis auf das Verteilzentrum in der Zigarettenfabrik, die Buchstabenfolge „SenGPG“ können nur „Eingeweihte“ als „Senatsverwaltung für Gesundheit,Pflege und Gleichstellung“ lesen, damit sie dann die Lieferanteneinfahrt von Philip Morris befahren, in eine Zigarettenfabrik hinein, um sich mit Schutzausrüstung zu versorgen.


Offener Brief

Berlin nimmt Hilfe des Zigarettenproduzenten Philip Morris zur Bekämpfung von Covid-19 an

Sehr geehrter Herr Regierender Bürgermeister,

mit großer Bestürzung mussten wir einen Artikel in der Tabak-Zeitung vom 27.05.2020 zur Kenntnis nehmen, in dem unter der Überschrift „Philip Morris hilft Berlin“ berichtet wird, dass der Tabakkonzern dem Land Berlin eine 1200 Quadratmeter große Halle, logistisches sowie technisches Equipment und Büroflächen seines teilweise stillgelegten Werkes zur Verfügung stelle.

Wir wenden uns entschieden gegen eine solche Zusammenarbeit des Landes Berlin mit der Tabakindustrie.

Die Produkte der Firma Philip Morris verursachen millionenfachen Tod weltweit. Zahlreiche Erkrankungen haben ihre Ursache im Konsum von Tabakprodukten, allen voran Erkrankungen der Lunge. In der Annahme der Hilfe einer solchen Firma bei der Bekämpfung eines Virus, der hauptsächlich die Lunge angreift, sehen wir eine Verhöhnung aller Opfer des Rauchens.

Diese Zusammenarbeit ist aber nicht nur höchst unmoralisch, sie ist auch unzulässig. Die Bundesrepublik hat bereits im Jahr 2004 das Gesetz zu dem Tabakrahmenübereinkommen verabschiedet. In den Leitlinien zur Umsetzung von Artikel 5.3 dieses Tabakrahmenübereinkommens heißt es:

„Die Vertragsparteien sollten nicht gestatten, dass ein Bereich der Regierung oder des öffentlichen Sektors politische, soziale, finanzielle, bildungs- oder gemeinschaftsbezogene Unterstützung seitens der Tabakindustrie oder Stellen, die an der Förderung ihrer Interessen arbeiten, annehmen“ (…).

Die Firma Philip Morris zielt mit ihrer vermeintlichen Hilfe für das Land Berlin einzig darauf ab, ein positives Umfeld für ihre Geschäfte zu erzeugen und von den tödlichen Gefahren ihrer Produkte abzulenken. Während sie vorgibt, den Krisenstab Covid-19 des Berliner Senats im Kampf gegen das Corona-Virus zu unterstützen, erleiden Menschen tagtäglich durch ihre Produkte schwere Gesundheitsschäden. Niemand kann ernsthaft glauben, dass einer Firma wie Philip Morris die Gesundheit der Menschen am Herzen liegt.

Wir bitten Sie dringend, für ein Ende der Zusammenarbeit des Landes Berlin mit der Firma Philip Morris im dargestellten Fall Sorge zu tragen und zukünftige Möglichkeiten einer Zusammenarbeit auszuschließen.

Mit freundlichen Grüßen

Johannes Spatz – Forum Rauchfrei

Prof. Dr. Ulrich John – Universität Greifswald

Prof. Dr. Robert Loddenkemper – Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin Berlin

Prof. Dr. Wolfgang Henrich – Charité Universitätsmedizin Berlin

Prof. Dr. Reinhard Busse – Technische Universität Berlin

Prof. Dr. Sabina Ulbricht – Universitätsmedizin Greifswald

Prof. Dr. Wulf Pankow – ehemals Klinikum Neukölln Berlin

Prof. Dr. Reiner Hanewinkel – Institut für Therapie und Gesundheitsforschung Kiel

Christa Rustler – Das Deutsche Netz Rauchfreier Krankenhäuser & Gesundheitseinrichtungen

Prof. Dr. Stefan Andreas – Pneumologe, Lungenfachklinik Immenhausen

Prof. Dr. Friedrich Wiebel – Ärztlicher Arbeitskreis Rauchen und Gesundheit e.V.

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