Der „Krisenstab Covid-19“ der Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit lässt sich von dem Tabakkonzern Philip Morris bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie helfen. In einer Zeit, in der die Tabakkonzerne um Werbebeschränkungen für Tabakprodukte nicht mehr herum kommen, ist eine solche positive Nachricht für einen Zigarettenproduzenten Gold wert.
Tabakkonzerne verfolgen die Strategie, sich als soziale Wohltäter darzustellen und so von den tödlichen Folgen ihrer Produkte abzulenken. Philip Morris konnte gar nichts Besseres passieren, als auf eine blauäugige Senatsverwaltung zu treffen, die dem Tabakkonzern auf den Leim ging. Seit circa drei Monaten lagert die Senatsverwaltung für Gesundheit Corona-Schutzausrüstungen wie Masken, Handschuhe und Kittel in einer Halle auf dem teilweise stillgelegten Werksgelände der Zigaretten-Fabrik Philip Morris in Berlin-Neukölln, angeblich ohne Gegenleistung
„So viel Naivität bei einer Gesundheitspolitikerin ist schon fahrlässig“, sagt Johannes Spatz, Sprecher des bundesweit tätigen Forum Rauchfrei, das zusammen mit zehn Professoren in einem Offenen Brief an den Regierenden Bürgermeister Michael Müller gegen die Nutzung des Firmengeländes durch die Senatsverwaltung protestiert hatte. Denn die Gegenleistung bestehe gerade darin, dass dem Tabakkonzern Philip Morris damit die Gelegenheit gegeben werde, sich als ein um die Gesundheit der Menschen besorgter gesellschaftlicher Akteur darstellen zu können.
Wie es genau zu der Abmachung zwischen der Senatsverwaltung und Philip Morris kam, blieb trotz Befragung der Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci in der Sitzung des Gesundheitsausschusses des Berliner Abgeordnetenhauses vom 10.08.2020 unklar. Die Senatorin erklärte auf die Fragen der Abgeordneten Catherina Pieroth, die Lagerung der Schutzausrüstung erfolge „ohne Gegenleistung“. Im Gegensatz dazu wurde jedoch in einem Schreiben des Gesundheitsstaatssekretärs Martin Matz an das Forum vom 23.07.2020 behauptet, dass die Zurverfügungsstellung der Räumlichkeiten entgeltlich sei. Jetzt solle aber eine schriftliche Vereinbarung getroffen werden, die auch eine Bezahlung vorsehen soll, erklärte Kalayci in der Ausschusssitzung am 10. August.
„Die Lagerung von Corona-Schutzausrüstungen in einer Zigaretten-Fabrik erscheint uns absolut grotesk! Dass sich ein Tabakkonzern etwas derartiges ausdenken kann, hätte ich nicht für möglich gehalten“, so Spatz. Wenn die Gesundheitsverwaltung Sponsoring der Tabakindustrie annimmt, dann sei das ethisch, moralisch und rechtlich nicht akzeptabel. Deshalb gebe es auch viele internationale Proteste, so Spatz. „Unsere Kollegen im Ausland können gar nicht fassen, das so etwas tatsächlich in Berlin stattfinden kann.“ Mit einem Minimum an Sensibilität für die Probleme der Tabakkontrolle könne jeder leicht erkennen, dass die Lagerung von Corona-Schutzmaterialen in einer Zigarettenfabrik das Ansehen der Senatsverwaltung für Gesundheit zerstört und die vielen Opfer, die an den Folgen des Tabakkonsums schwer leiden, verhöhnt.
Deshalb muss die Lagerung der Schutzausrüstung auf dem Firmengelände von Philip Morris sofort und kompromisslos beendet werden, so die einhellige Forderung von Gesundheitsexperten.