Am 13.10.21 berichtet die Aachener Zeitung:
„Forum Rauchfrei“ : „Kippen“ kaufen im Krankenhaus-Kiosk?
Das „Forum Rauchfrei“ will erreichen, dass Tabakwaren nicht mehr in Krankenhäusern verkauft werden dürfen. Vor der Uniklinik Aachen gibt es Raucher- und Nichtraucherbereiche.
Aachen. Geht es nach einer bundesweiten Initiative, soll dort kein Tabak mehr angeboten werden. So sieht es in der Region aus.
Von Christoph Pauli (Autor)
Vor ein paar Tagen hat Johannes Spatz auf dem Gelände der Berliner Charité Zigarettenstummel gesammelt. Innerhalb kurzer Zeit wurden 1500 Kippen aufgehoben. Der Berliner Arzt hat dafür kein Verständnis. Spatz ist Sprecher des bundesweit aktiven „Forum Rauchfrei“. Der Titel beschreibt Programm und Anspruch.
Deswegen hat die Gruppe vor ein paar Tagen Universitätskrankenhäuser in allen Hauptstädten der 16 Bundesländer befragt. Sie wollte wissen, ob in solchen Gesundheitszentren noch Tabakwaren verkauft werden. Das Ergebnis habe die Aktivisten schockiert, sagt Spatz. In jeder zweiten abgefragten Uni-Klinik ließ sich problemlos Nikotin erwerben.
„Das ist finsteres Mittelalter der Tabakprävention, wenn sogar jedes zweite Universitätskrankenhaus den Verkauf von Zigaretten in den eigenen Mauern zulässt“, sagt der Arzt. Wenn Zigaretten einträchtig neben Klatschzeitschriften und Lutschpastillen angeboten würden, vermittele das die Botschaft, Rauchen sei harmlos. Dabei weise das Krebsforschungszentrum in Heidelberg jährlich 127.000 Menschen aus, die als Folge ihres Nikotinkonsums sterben. „Das größte Gesundheitsrisiko unserer Gesellschaft“, sagt Spatz. Der Widerspruch, am gleichen Ort zu heilen und Zigaretten zu verkaufen, sei unüberbrückbar, formuliert der Arzt. Deswegen fordert er die Verantwortlichen auf, kurzfristig den Verkauf von Tabakwaren in Krankenhäusern zu untersagen und für ein gesetzliches Verbot einzutreten.
Anti-Nikotin-Bewegung
Die Mitglieder der Anti-Nikotin-Bewegung arbeiten primär im Gesundheitsbereich. Auch zum Beispiel im Tumorzentrum an der Uniklinik Aachen. Dort im Kiosk werden seit Gründungstagen Tabakwaren angeboten, während der Verkauf von scharfen Spirituosen vertraglich ausgeschlossen ist. „Zu einem Tabakverbot haben wir uns – seinerzeit und heute – noch nicht entschlossen“, sagt Klinikumssprecher Dr. Mathias Brandstädter.
Wenn man tatsächlich alles Ungesunde aus dem Sortiment eines Kiosks nehmen würde, müsste man auch zuckerhaltige Waren oder Lotterien verbieten, vermutet er. So bliebe nicht mehr viel übrig vom Angebot. Im Nachhinein das Sortiment des externen Betreibers zu ändern, wäre ihm gegenüber natürlich nicht sonderlich fair, da die Tabak-Einnahmen ja auch Bestandteil seines Kalkulationsmodells seien. „Unser Auffassung nach führt ein Verbot nicht automatisch zu weniger Konsum, sondern vermutlich eher zu anderen Beschaffungswegen.“ Brandstädter sagt aber auch, dass die Initiative des „Forum Rauchfrei“ weiter im Haus diskutiert werde.
Das besucher- und patientenstarke Klinikum ist nicht das einzige Krankenhaus in der Region, das Tabak im Sortiment zulässt. Auch im Luisenhospital in Aachen wurde vor acht Jahren ein Pachtvertrag mit einem externen Händler geschlossen, der den Nikotinverkauf bislang nicht untersagt. Der Vorstoß der Initiative sei nun Anlass, diese Praxis zu prüfen, sagt eine Sprecherin. Im benachbarten Marienhospital dagegen haben Vorstand und Geschäftsführung bewusst darauf verzichtet, Tabak und Alkohol anzubieten. „Hier hatten wir natürlich die Gesundheit und den Jugendschutz im Blick“, sagt die Sprecherin.
In das gleiche Horn stößt auch Christoph Lammertz, der Leiter der Unternehmenskommunikation am Krankenhaus in Düren: „Bei uns gibt es keine Tabakwaren zu kaufen. Wir werben ja sehr aktiv für eine gesunde Lebensweise. Dem würde der Verkauf von Tabak aus unserer Sicht widersprechen.“
Auch im Erkelenzer Hermann-Josef-Krankenhaus lässt sich seit mindestens fünf Jahren kein Tabak mehr erwerben, sagt eine Sprecherin. „Das war sogar eine eigene Entscheidung der Kioskbetreiberin.“ Andere Krankenhäuser in Simmerath, Geilenkirchen, Stolberg oder auch das Rhein-Maas-Klinikum in Würselen reagierten nicht auf eine stichprobenartige Nachfrage.
Das „Forum Rauchfrei“ will nicht lockerlassen, sagt Spatz. Die Initiative wurde vor über 20 Jahren gegründet, die Gruppe organisiert Demonstrationen, bringt Broschüren heraus, setzt sich für Gesetzesinitiativen ein. Tabakwerbung sollte komplett verboten werden, steht auf der Agenda. „Der Kampf gegen die Tabakindustrie ist der Schwerpunkt unseres Handelns“, sagt der Mediziner aus Berlin. „Wir prangern schon lange die Allianz zwischen Politik und Regierung einerseits und der Branche andererseits an.“
Demnächst will er sich mit seinen Leuten auch darum kümmern, dass auf dem Krankenhaus-Gelände nicht mehr geraucht werden soll. Und auch im Eingangsbereich von Spitälern sollen nicht qualmende Raucher die Besucher empfangen, findet er. So ein Krankenhaus sollte ein Ort sein, in dem man gesund und nicht noch kränker wird.