Verbot von Menthol-Zigaretten: Drogenbeauftragte: Schamlos

am 28. Mai 2020

BZ online

Forum Rauchfrei gegen Menthol-Zigarette

Am Mittwoch tritt das Verbot des Verkaufs von Menthol-Zigaretten in Kraft. Es hat den Zweck, Jugendliche vom Rauchen abzuhalten. Das Berliner „Forum Rauchfrei“ kritisiert, dass der Tabakkonzern Reemtsma Menthol getränkte Rizla-Karten auf den Markt bringt und propagiert: Man stecke eine Karte in die Zigarettenpackung und nach einer Stunde haben die Zigaretten das Menthol-Aroma angenommen. Das Forum hat die Bundesministerin für Ernährung aufgefordert, den Machenschaften von Reemtsma ein Ende zu setzen

Original Artikel:_https://www.bz-berlin.de/liveticker/forum-rauchfrei-gegen-menthol-zigaretten

Frankfurter Rundschau

Reemtsma in der Kritik

Genussmittel mit Nebenwirkungen:
Laut Bundesregierung raucht mehr als jeder vierte Bürger – 121 000 sterben jährlich daran.
27.05.20 16:47

Menthol-Zigaretten
von Sarah Josef

Menthol macht das Rauchen weicher und animiert dazu, tiefer zu inhalieren. Glimmstengel mit diesem Geschmack sind deshalb jetzt verboten. Der Tabakkonzern Reemtsma umschifft das Gesetz trickreich.
Der Verkauf von Menthol-Zigaretten ist seit vergangener Woche europaweit verboten. Die EU-Richtlinie schiebt dem Vertrieb der Glimmstängel unter anderem einen Riegel vor, weil sie als Einstiegszigaretten gelten und besonders Jugendliche davor geschützt werden sollen, mit dem Rauchen anzufangen.
Die Firma Rizla, die zum deutschen Tabakkonzern Reemtsma gehört, hat nun sogenannte „Aroma Cards“ in der Geschmacksrichtung Menthol auf den Markt gebracht. Nach dem Einlegen der Karten in eine herkömmliche Zigarettenpackung geben sie innerhalb von 60 Minuten ihr Aroma an die Zigaretten ab.
Das Aktionszentrum Forum Rauchfrei sieht darin eine Umgehung des Verbots. Reemtsma stelle sich mit dem Verkauf der „Aroma Cards“ außerhalb des Gesetzes. „Die Käufer atmen in beiden Fällen Tabak mit dem Zusatzstoff Menthol ein, so dass es zu den Wirkungen kommt, die durch das Verbot von Menthol-Zigaretten gerade vermieden werden sollen“, so ein Sprecher der Berliner Initiative.
Aus einem Informationsblatt des Deutschen Krebsforschungszentrums geht hervor, dass Menthol den Rachen betäubt und den Rauch weicher macht. Dies überdecke zum einen die Schärfe des Tabakrauchs und erleichtere so das Rauchen. Zum anderen neigten Raucher durch den kühlenden Effekt dazu, tiefer zu inhalieren. Die Wirkungen und der Minzgeschmack seien für junge Raucher reizvoll.
Drogenbeauftragte alarmiert

Laut einem Reemtsma-Sprecher verändern die „Aroma Cards“ weder die Tabakzusammensetzung noch die Rauchemissionen herkömmlicher Tabakzigaretten. Das EU-Verbot betreffe lediglich Zigaretten und Tabake mit einem charakteristischen, von Tabak unterscheidbaren Aroma. „Bei den Rizla Aroma Cards“, so der Sprecher, „handelt es sich jedoch nicht um ein Tabakprodukt.“

Daniela Ludwig, die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, kritisiert den Verkauf der „Aroma Cards“. „Wenn die Tabakindustrie nun quasi durch die Hintertür mittels aromatisierter Mentholstreifen weiter auf den Markt drängt, ist das schlicht und einfach ein schamloser Versuch, das Verbot zu umgehen“
teilte Ludwig auf Anfrage der Frankfurter Rundschau mit. An dieser Stelle seien auch die Aufsichtsbehörden der Länder gefragt. Zudem habe sie das zuständige Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft auf die Entwicklungen aufmerksam gemacht.
Über die neue Tabakrichtlinie stimmte der Europäische Gerichtshof bereits 2014 ab. Während unter anderem größere Warnhinweise in Text und Bild auf Zigarettenschachteln bis 2016 in nationales Recht umgesetzt wurden, galt für das Verbot von Menthol-Zigaretten eine Übergangsfrist bis Mai dieses Jahres.

Original Artikel: https://www.fr.de/wirtschaft/reemtsma-kritik-13778617.html

Hamburger Abendblatt

Menthol-Zigaretten

Altkanzler Mentholzigaretten. von Raucher passionierter ein war Schmidt Helmut

Heiner Schmidt Aroma-Karte auf setzt Reemtsma verboten, Wie die Hamburger Traditionsfirma dem Verkaufsstopp der EU trotzt. Nun soll eine Ministerin eingreifen.

Hamburg. Wer dieser Tage beim Tabakhändler seines Vertrauens nach Mentholzigaretten fragt, erlebt bisweilen besondere Zuwendung und Fürsorge. „Ein paar Schachteln habe ich noch“, heißt es dann. Und nicht selten folgt das Angebot: „Ich könnte noch einen Vorrat für Sie bestellen.“ Helmut Schmidt, Deutschlands bekanntester Mentholzigaretten-Dauerraucher, soll gleich 200 Stangen im Langenhorner Reihenhaus gehortet haben, als vor fast zehn Jahren bekannt wurde, dass die EU den Verkauf der mit Pfefferminz-Aromen versetzten Glimmstängel verbieten will. Die Umsetzung dieses Plans erlebt der 2015 verstorbene Altkanzler nicht mehr.
Ab nächsten Mittwoch dürfen Mentholzigaretten EU-weit nicht mehr im Handel sein. Begründung: Der etwas andere Geschmack könne junge Menschen zum Rauchen verleiten. Es ist das Ende von Marken wie Reyno oder Marlboro Menthol und der grünen Farbe auf den Schachteln, die diese sehr spezielle Geschmacksvariante signalisiert.
Marktanteil Prozent drei unter
Der Hamburger Zigarettenhersteller Reemtsma stellt die Produktion von gleich vier Sorten ein: West Ice, John Player Special Green, Davidoff Ice Green sowie Gauloises Blondes Grün. Die Umsatzeinbußen dürften sich in Grenzen halten. Reemtsma nennt zwar keine konkreten Zahlen, doch nach Angaben des Deutschen Zigarettenverbandes liegt der Marktanteil der Mentholvarianten hierzulande stabil unter drei Prozent. Auch die meisten Konsumenten nehmen das bereits vor vier Jahren beschlossene Verbot offenbar gleichmütig hin – oder haben sich rechtzeitig bevorratet. „Deutlich stärkere Absätze durch Hamsterkäufe sind nicht zu verzeichnen“, sagt ein Reemtsma-Sprecher.
Imperial Brands, der britische Mutterkonzern des Traditionsunternehmens, hat für Menthol-Fans aber vorgesorgt. Seit April vertreibt Reemtsma in Deutschland sogenannte Aroma Cards in den Geschmacksvarianten Menthol und Ice. Die Idee: Die Karten (Stückpreis 50 Cent) werden für mindestens 60 Minuten in die Zigarettenschachtel geschoben, „anschließend können Nutzer ihre herkömmlichen Zigaretten mit frischerem Geschmack rauchen“, sagt der Firmensprecher. Hergestellt werden die Karten von Reemtsmas Schwesterunternehmen Rizla. Der Spezialist für Zigarettendrehpapier hat schon lange auch Blättchen im Sortiment, die einen leichten Lakritzgeschmack verbreiten.
Tabakgegner sind empört
Die Aroma-Karten rufen jetzt Rauchgegner auf den Plan. „Reemtsma umgeht das Mentholverbot“, kritisiert das Forum Rauchfrei. Die in Berlin ansässige private Organisation, deren Mitglieder zumeist in medizinischen Berufen arbeiten, achtet seit Jahren auf die Einhaltung der strengen Regeln für die Tabakwerbung durch die Branche. Forum-Sprecher Johannes Spatz, früher Gesundheitsdezernent im Berliner Bezirk Wilmersdorf, wirft Reemtsma eine „schamlose Umgehung des Gesetzes“ vor. Die Organisation hat Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) aufgefordert, den „Machenschaften“ des Unternehmens ein Ende zu setzen und notfalls das entsprechende Gesetz zu ändern. Juristisch sei Reemtsma derzeit wohl nicht beizukommen, so Spatz. „Sie nutzen eine Lücke in der Verordnung.“ Verboten ist demnach nur der Verkauf von Zigaretten und Feinschnitt mit einem von Tabak unterscheidbaren Aroma – nicht jedoch die nachträgliche Aromatisierung.
Als Menthol-Alternative hat Reemtsma im April zudem die Marke West Polar eingeführt, deren Spezialpapier weniger Rauchgeruch hinterlassen soll. Europäern, die vom minzigen Rauch gar nicht lassen wollen, bleibt nur wohl, sich Mentholzigaretten aus den USA zu besorgen, dort haben sie etwa 30 Prozent Marktanteil – die dortigen Tabakkonzerne haben Widerstand gegen ein mögliches Verbot angekündigt.

Original Artikel: https://www.abendblatt.de/wirtschaft/article229113969/Mentholzigaretten-verboten-Reemtsma-setzt-auf-Aroma-Karte.html

Spiegel Online

Umgehung des Menthol-Verbots Der bösartige Erfindungsreichtum der Tabakkonzerne

Ein Kommentar von Marco Evers In Europa soll von Mittwoch an eine besonders gefährliche Zigarette aus dem Handel verschwinden. Doch mit gewohnter Hinterlistigkeit unterläuft die Industrie das Verbot.

Dies ist ein historischer Tag im langen Kampf gegen die Nikotinsucht, die allein in Deutschland jedes Jahr 120.000 Menschen tötet. Von Mittwoch an müssen Mentholzigaretten überall in der EU aus dem Handel verschwinden, sie sind künftig illegal.

Die entsprechende Richtlinie haben die EU-Gesundheits­minister schon 2013 beschlossen. Sie hatten damals aus der Erkenntnis die Konsequenz gezogen, dass die Tabakindustrie mit Pfefferminzzigaretten insbesondere Kinder und Jugendliche zum Rauchen verführt. Menthol macht den beißenden Tabakrauch weicher, zudem entfaltet es eine betäubende Wirkung im Rachen. Tiefe Lungenzüge ohne Menthol wären gerade für Ungeübte kaum möglich und sehr unangenehm. Aus diesem Grund sind geringe Mengen Menthol auch in herkömmlichen Zigaretten immer enthalten, ebenso wie Zucker und Ammoniak.

Bösartiger Erfindungsreichtum

Aber müssen Raucher nun wirklich fürchten, dass sie in Zukunft nicht mehr an Mentholzigaretten kommen? Fügt sich die Tabak­industrie endlich dem Gebot des Gesundheitsschutzes und verzichtet auf den Verkauf von Zigaretten, die sich vor allem an den Geschmack und das Rauchverhalten von jungen Leuten richten?

Die Antwort auf beide Fragen lautet: leider nein. Auf den bösartigen Erfindungsreichtum dieser Branche ist Verlass.

Die Tabakkonzerne haben Wege gefunden, die EU-Richtlinie zu unterlaufen. Die Firma Reemtsma bietet seit April sogenannte Aromatisierungsstreifen an. Das sind stark mentholhaltige Kärtchen, die ein Raucher in seine Zigarettenschachtel legen soll. Nach einer Stunde Einwirkzeit hat er damit seine Menthol­zigaretten selbst hergestellt. Der Preis ist überaus taschengeldverträglich: 50 Cent.

Melonenzigaretten zum Selbermachen

Der Lübecker Tabakfabrikant Johann Wilhelm von Eicken ­offeriert gleichfalls solche Streifen mit Geschmacksrichtungen wie Melone, Himbeere, Kirsche oder Heidelbeer-Menthol. Der Zigarrenhersteller Arnold André aus Nordrhein-Westfalen verkauft Aromaampullen zum Beträufeln von Zigaretten, die dann nach Kirsche, Apfel und, natürlich, Minze schmecken sollen.

Die Bundesdrogenbeauftragte Daniela Ludwig (CSU) hat wegen dieser Produkte jetzt das zuständige Bundeslandwirtschaftsministerium alarmiert. „Verbote gelten hier für alle – da kann sich die Tabakindustrie nicht einfach rausnehmen.“ Das Gebaren der Branche, so sagt sie völlig zu Recht, sei „ein schamloser Versuch“, geltende EU-Regeln zu umgehen.

Original Artikel: https://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/mentholzigaretten-der-boesartige-erfindungsreichtum-der-tabakkonzerne-a-f7fe8de9-9cf9-4b1f-8895-611febc29ccb#

RekardoVerbot von Menthol-Zigaretten: Drogenbeauftragte: Schamlos