Eine Aktion gegen die Tabakindustrie: Den Glimmstängeln den Garaus machen. „Wir sind nicht gegen die Raucher“.
Heidelberg. Mit Sprüchen wie „Liebe ist, jemandem zu helfen, das Rauchen aufzugeben“ wollen Mitglieder des „Forums Rauchfrei“ Leute dazu animieren, den Tabakkonsum zu beenden. Dafür bekleben sie in unterschiedlichen Städten, darunter auch in Heidelberg, Zigarettenautomaten mit Aufklebern, so groß wie DIN A3 Papier. „70 Prozent der Raucher wollen eigentlich aufhören, doch die meisten schaffen es nicht“, erklärt der Internist Joachim Kamp.
Dass das Rauchen gesundheitsschädlich ist, sei den Leuten bewusst. Jedoch handele es sich um eine Droge, die nicht nur wegen des Nikotins süchtig mache, so Kamp. „In der Tabakindustrie werden mehrere Hundert Zusatzstoffe verwendet, die stark abhängig machen.“ Laut Kamp optimieren die Tabakkonzerne ihre Zigaretten so, dass das Rauch-Luft-Verhältnis dafür sorge, dass die Zigarette schneller wirke.
Aus Sicht des Arztes ist das Massenphänomen Rauchen auf den starken Lobbyismus der Tabakindustrie und deren gezieltes Marketing zurückzuführen. Denn das Spiel mit der Gesundheit ist ein lukratives Geschäft: In Deutschland etwa setzt die Tabakindustrie jährlich mehr als zwölf Milliarden Euro netto um.
Während die Aktivisten ihre Aufkleber an den Automaten anbringen, beobachtet sie ein Passant, der gerade hilft, einen Transporter auszuladen. Josef Grimm sagt: „Ich finde es gut, dass man darauf hinweist, das Rauchen aufzugeben. Ich habe früher selbst viel geraucht. Es ist wirklich ein Kampf, damit aufzuhören.“ Auch die Freunde Kuschtrim und Gjelbrim aus Mosbach, die gemeinsam vor dem Hauptbahnhof rauchen, wünschten sich, nie damit angefangen zu haben. „Ich bin 35 Jahre alt, habe mit 18 Jahren angefangen, und ich merke, dass meine Leistungsfähigkeit abgenommen hat“, so Gjelbrim. Ein weiterer 45-jähriger Raucher, der gerade auf seinen Flixbus wartet, findet, dass solche Aufkleber keinen großen Effekt hätten. Die gleiche Ansicht teilt auch die Heidelbergerin Steffi, die mit 17 zu rauchen begann.
„Wir sind nicht gegen die Raucher, sondern wollen sie darin unterstützen, ihre Sucht zu bewältigen“, betont der 63-jährige Rainer Herrmann vom Nichtraucherbund. „Täglich sterben 300 Menschen in Deutschland an den Folgen des Tabakkonsums. Das ist so, als würde am Tag ein Flugzeug abstürzen“, erklärt der Präventionsmediziner Johannes Spatz. Deutschland stehe eine Krebswelle bevor, und die beste Medizin gegen die Folgeschäden des Tabakkonsums sei, gar nicht erst damit zu beginnen. „Ich sehe in meiner Praxis täglich die Auswirkungen des Rauchens. Es ist die Einstiegs- und Abstiegsdroge“, so der Internist Joachim Kamp. Zigarettenautomaten abzuschaffen ist seiner Meinung nach notwendig, um die niederschwelligen Angebote zu reduzieren.
Der Hinweis auf den Zigarettenautomaten „Plakatieren und Bekleben verboten“ hält die Aktivisten nicht davon ab, ihre Nachricht nach außen zu tragen. „Was wir machen, ist keine Sachbeschädigung. Wir nutzen Gecko-Folie, die sich rückstandslos wieder abziehen lässt“, so Kamp.
Burkhard Armborst von „Tobaccoland“, dem größten Zigarettenautomaten-Unternehmen in Deutschland, sagt: „Prinzipiell sind wir für Warn- und Gesundheitshinweise auf den Automaten. Aber wir wollen das Bekleben nicht irgendwelchen Organisationen überlassen. Deshalb lassen wir Aufkleber oder Graffiti entfernen.“ In Deutschland betreibt „Tobaccoland“ laut Armborst 80.000 von insgesamt 200.000 Zigarettenautomaten. In den 90-er Jahren waren es noch mehr als 800.000. Jedoch wird lediglich zehn Prozent des Tabaks über Automaten verkauft, mehr als 50 Prozent im Lebensmitteleinzelhandel.
Original Artikel von Robin Höltzcke von der Rhein-Neckar-Zeitung.