Der Verbraucherschutzminister erläutert im INFOradio rbb, warum er nunmehr für ein gesetzliches Rauchverbot ist.
Zusammenfassung des Interviews:
Zwölfzweiundzwanzig, 09.09.2006, 12:22 Uhr
Rauchen und Gammelfleisch gefährdet Ihre Gesundheit
Zu Gast bei Ingo Kahle:
Horst Seehofer CSU, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz.
Gast von der Presse: Andreas Hoffmann Süddeutsche Zeitung
Im Mittelpunkt der Sendung steht der neue „Gammelfleisch“-Skandal. Horst Seehofer übt erneut deutliche Kritik an der Praxis der Lebensmittelkontrollen, wie sie gegenwärtig in den Ländern, er nennt insbesondere Bayern, festzustellen ist. Er spricht sich gegen schärfere Strafen aus, weil der Strafrahmen bislang meist nicht ausgeschöpft werde. Dies bezieht sich auch auf die Höhe von Bußgeldern. Seehofer weist erneut den Verdacht zurück, er habe eine Bundesbehörde für die Lebensmittelkontrolle gefordert. Zufrieden zeigt er sich mit dem Ergebnis der Verbraucherministerkonferenz in dieser Woche. Nunmehr sei klar, dass der Bundesrat das Verbraucherinformationsgesetz, das der Bundestag bereits verabschiedet hat, am 22. September ebenfalls beschließen werde. Entgegen der insbesondere von Verbraucherverbänden daran geübten Kritik gebe dieses Gesetz den Behörden weit reichende Möglichkeiten, im Zusammenhang mit Lebensmittelkontrollen die Namen von Firmen zu nennen. Die Behörden müssten nun aber auch den Mut haben, dieses Gesetz auch anzuwenden.
Die letzten ca. acht Minuten der Sendung sind dem Thema Rauchen gewidmet. Der Leiter des Deutschen Büros der „Weltgesundheitsorganisation WHO, Michal Krzyzanowski, schrieb dazu in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (20.08.2006): „Vor kurzem hat in Gestalt von Verbraucherminister Horst Seehofer erstmals ein Mitglied der Bundesregierung ein gesetzliches vollständiges Rauchverbot in Restaurants gefordert. Dies ist eine bedeutende Wende.“
Auf die Frage, wie es zu dieser Wende kam, erklärt Seehofer, dass er als Gesundheitsminister in den neunziger Jahren eine Rede zu dem Thema gehalten habe, in der er für „Vorfahrt für die Eigenverantwortung“ plädiert habe. Diese Vorfahrt für die Eigenverantwortung habe aber nicht funktioniert. „Da hat sich viel positiv entwickelt. Aber einen Durchbruch im eigentlichen Sinne haben wir nicht geschafft.“ Ihm gehe es zwar nicht um die Beurteilung von Lebensstilen, „die Leute sollen im Rahmen der Gesetze leben wie sie wollen.“ Es gehe ihm um den Schutz der Nichtraucher. „Es ist ja das Mindeste, was man verlangen darf, dass dort, wo Menschen sich aufhalten müssen, in öffentlichen Räumen – problematisch ist noch die Frage der Gaststätten – dass man dort eben ein Rauchverbot macht, damit Nichtraucher geschützt werden. Ich glaube es gibt nicht nur ein Freiheitsrecht des Rauchers sondern auch ein Freiheitsrecht des Nichtrauchers. Und in einem Krankenhaus, in einem Kindergarten, in einem Altenheim muss niemand rauchen.“
Auf die Frage, warum er diesen Vorstoß gemacht habe, wo doch für Gesundheit Ulla Schmidt und für die Gaststättenverordnung Michael Glos zuständig sei, die sich nicht so weit vorgewagt haben wir er, antwortete Seehofer: „Weil ich die Frage, die man so gerne im preußischen Beamtentum stellt – ’sind Sie sachlich und örtlich zuständig?‘ in der Politik überhaupt nicht leiden kann. Ich bin Verbraucherschutzminister. Ich bin ein leibhaftiges Lebewesen.“ Die Frage – sind Sie jetzt auch sachlich zuständig, gehört das zu Ihrem Ressort? – habe er ohnehin nie verstanden. Das Thema Rauchen habe „schon eine Verwandtschaft mit Verbraucherschutzfragen. Das kann man nicht ernsthaft bestreiten. Für Teilbereiche des Tabaks bin ich auch zuständig, zum Beispiel für die Tabak-Werberichtlinie. Man kann ja auch einmal etwas politisch befördern ohne im engeren Sinne verfassungsrechtlich dafür zuständig zu sein“, so Seehofer.
Die Experten der Regierungsfraktionen beraten in der kommenden Woche über einen gemeinsamen Antrag zum Nichtraucherschutz. Seehofer wurde in der Sendung gefragt, ob er jene Abgeordneten unterstütze, die ein Rauchverbot auch in Gaststätten wollen, ob er also wünsche, dass diese parlamentarische Initiative Erfolg hat und es also ab 2007 ein Rauchverbot in allen öffentlichen Gebäuden, also auch in Gaststätten geben wird.
Seehofer darauf wörtlich: „Ja, ich wünsche mir, dass sie Erfolg haben.“ Mit Gesundheitsministerin Ulla Schmidt habe er schon vor der Sommerpause über das Verfahren gesprochen. Beide seien der Meinung, dass es am sinnvollsten sei, „wenn der Deutsche Bundestag darüber eine Debatte führt und dann die Punkte per Antrag festhält, die er geregelt haben möchte. Und dass wir als Regierung dann dazu den Gesetzentwurf machen.“ Da er „ein Mensch sei, der gerne mit einer Idee auch eine Mehrheit bekommt“ und um das Selbstverständnis der Bundestagsfraktionen wisse, wolle er diesen nicht vorschreiben, wie schnell sie dies zu tun hätten. Aber: „Ich werbe bei den Fraktionsvorsitzenden dafür, dass man hier ein Verfahren findet, das auf der einen Seite das Thema in der Weise, wie ich es beschrieben habe, nach vorne befördert und nach Möglichkeit den Abgeordneten auch die Freiheit lässt, darüber abzustimmen. Ich glaube nicht, dass das eine Frage der Fraktionsdisziplin oder der Parteidisziplin ist, ob man für den Nichtraucherschutz ist oder nicht.“
Seehofer sagte weiter, er sei sehr froh darüber gewesen, dass die Bundeskanzlerin eine Debatte über den Nichtraucherschutz als „legitim“ bezeichnet habe. „Ihr Petitum ist, jetzt nicht wieder gleich das typische Übermaß vorzusehen. Also wieder daraus ein Wunderwerk der Gesetzesakrobatik zu machen. Das ist ja immer gleich die Gefahr.“
Auf den Einwand, dass man hinter dieser Formel verstecken könnte, dass ein Rauchverbot nicht in Gaststätten gelten solle, sagte Seehofer: „Bei den Gaststätten wäre ich auch dafür.“ Allerdings habe man hier eine „etwas differenziertere Lage in der Lebensrealität als bei den öffentlichen Räumen.“ Wenn jemand nachts um 23 Uhr in eine Nachtbar gehe, dann könne kein Nichtraucher sagen, er sei in seiner Lebensqualität beeinträchtigt, weil dort geraucht wurde. Anders verhalte es sich z.B. in Autobahnraststätten, wenn bei einer Reise mit Kindern eine Unterbrechung für eine Brotzeit notwendig sei, auch Betriebskantinen nennt er. „Ich habe also eine große Sympathie dafür, sich die Vielfalt der möglichen Formen vor Augen zu halten.“ Zum Beispiel neige er nicht dazu, „das für 14 Tage Oktoberfest zu regeln.“ Diese Perfektionierung nach dem Motto „wir dürfen erst wieder dann glücklich sein, wenn es wirklich in jedem Winkel wieder geregelt ist“ wolle er nicht, „sondern die großen Linien müssen stimmen.“
In anderen Ländern ist diese Debatte schon geführt worden. In Italien, Irland, Norwegen, Schweden, Schottland, England, Estland, Island und anderen gilt auch in Gaststätten und Restaurants ein Rauchverbot. Das Beispiel Italien bezeichnet Seehofer als „mit das stärkste Argument. Italien hat das geregelt, Amerika – freiheitsliebend. Und es funktioniert, und es funktioniert sogar unbürokratisch. Ich habe von Gastronomen in Italien erfahren, dass sie nicht ein schlechteres Geschäft haben, sondern ein besseres. Die Leute sagen, da gehe ich jetzt hin zum Essen, da weiß ich dass ich nicht einen Kampf führen muss für eine rauchfreie Ecke.“
Heute verließen Raucher den Raum, wenn Kinder drin seien, um im Freien, auf dem Balkon oder auf der Terrasse zu rauchen. Es sei „völlig selbstverständlich, dass man im Flugzeug nicht raucht – oder in Fraktionssitzungen der Politik.“ Das sei vor 20 Jahren völlig anders gewesen. „So wird es auch selbstverständlich werden, dass meine Kinder einmal sagen – ‚was, bei Euch ist da noch geraucht worden, obwohl 20 Leute im Raum waren?‘ Das wird alles selbstverständlich werden und diese ganzen freiheitsliebenden Menschen, die angeblich so freiheitlich sind und in Wahrheit ganz andere Dinge in der Überlegung haben, werden Unrecht bekommen.“